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  • Beim dem Gottesdienst in der Kapelle auf dem Leipziger Südfriedhof wurde den Roma-Männern die letzte Ehre erwiesen.

Uni Leipzig bunkerte jahrzehntelang über 1200 Tote

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Leipzig hat Geschichte geschrieben: Das erste Mal überhaupt in Deutschland wurden am Mittwoch in der Messestadt die Gebeine von rumänischen Roma-Männern bestattet. Sie waren über 150 Jahren alt und lagerten jahrzehntelang in der Universität Leipzig. Doch die Toten bzw. ihre Überreste sind nur der Gipfel des Eisbergs: In der Uni lagern noch über 1.200 Schädel, wie uns Mitarbeiter des Anatomie-Instituts auf Nachfrage erzählt haben.

Endlich Ruhe in Frieden

Auf dem Leipziger Südfriedhof wurde es am Mittwochmittag emotional: 150 Jahre nach ihrem Tod wurden die drei Männer endlich beerdigt. Bevor es zum Gottesdienst und der feierlichen Bestattung ging, gab es in der Kapelle des Friedhofs noch mehrere Reden. Am Ende waren sich alle bei zwei Sachen einig: Es ist richtig und wichtig, dass die Männer nun ihre würdige Ruhestätte erhalten. Aber es ist auch deutlich zu spät!

Warum waren die Gebeine so lange im Besitz von Leipzigs Uni?

Die Schädel stammen aus dem 19. Jahrhundert. Damals sammelten Forscher der Universität Leipzig menschliche Überreste aus aller Welt. Sie wollten „Rassen“ vergleichen – aus heutiger Sicht klar rassistisch und unwissenschaftlich. Die Körper bzw. Köpfe der Toten wurden quasi für Forschungszwecke missbraucht.

Viele der noch übrigen Schädel stammen aus kolonisierten Ländern oder von Menschen, die am Rand der Gesellschaft standen – wie Roma und Sinti. Die Körper seien nach dem Tod gestohlen oder gekauft und für sogenannte „Forschung“ benutzt worden, erklärt Michael Brand, Bundesbeauftragter gegen Antiziganismus (Rassismus gegen Sinti und Roma). Er fand für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland deutliche Worte: „Es sind keine Forschungsobjekte, sondern Menschen.“

Die Schädel sollen noch bestattet werden

Heute versucht das Leipziger Institut für Anatomie, dieses dunkle Kapitel aufzuarbeiten. Leiter Prof. Martin Gericke leitet die sogenannte Provenienzforschung. Das heißt, dass er und sein Team herausfinden wollen, woher die Schädel stammen und wer diese Menschen waren. Hat das geklappt, sollen die jeweiligen Gebeine an die Herkunftsländer übergeben werden. Teilweise sei das auch schon erfolgt: „Für 23 dieser Menschen konnten wir schon eine würdevolle Ruhestätte finden“, so Gericke. 

Doch die Forschung stehe noch ganz am Anfang, wie Gericke betont: „Wir haben noch über 1.200 weitere Schädel.“ Das Ziel sei klar - sie „sollen alle ihre Würde zurückerhalten.“ 

Ein Schritt in die richtige Richtung

Die Beisetzung war ein wichtiger Schritt. Sie zeigt: Es ist möglich, „Fehler aus der Vergangenheit zu erkennen und heute richtig zu handeln“, so Brand. Und das sei auch besonders wichtig, denn „die Würde des Menschen gilt auch nach dem Tod.“ Oder wie es eine Rednerin bei der Beisetzung sagte:
„Es ist spät – aber nicht zu spät.“

Audio:

Martin Gericke, Leiter des Anatomie-Institus der Universität Leipzig, sagte uns:
Michael Brand, Bundesbeauftragter gegen Antiziganismus, hat uns erklärt: